Dienstag, 17. Januar 2017

von einem altvertrauten gefühl

während kind heute seine zweite schulwoche tapfer angegangen ist, habe ich ja noch ein paar tage schonfrist. wobei, in wahrheit kann ich klar schon längst loslegen, denn für die arbeit, die ich hier machen sollte (in erster linie habil schreiben, aber auch einiges weitere forschungsdinge endlich erledigen) brauche ich ja keine uni. und dennoch, irgendwie laufe ich eher langsam an. während ich fürs kind fast alles schon organisiert habe, geschaut habe, dass es für ihn maximal passt, habe ich bis jetzt mich selber immer auf die zweite stelle gestellt. nun kommt er langsam an und ich beginne nachzudenken... und ein altes, vertrautes gefühl schlecht sich immer mehr an.

es ist schwer zu erklären, was das für ein gefühl ist. es ist in wahrheit eine mischung von gefühlen und ich kenne diesen cocktail nur zu gut aus der studienzeit, jedes mal, wenn ich irgendwo neu und für eine längere zeit dort war. alles ist neu, aufregend, unbekannt und dann doch so faszinierend. das land, die menschen, das essen, die öffentlichen verkehrsmittel, alles, aber auch alles, was man kennt und "normal" ist, ist anders. und ich bin emotional zwischen faszination und panik zu hause, zwischen wow und einer sehr einzigartigen variante von "heimweh". nach bekanntem und leichtem, nach dem, was man halt kennt, weil alles so langsam voran kommt, alles so rätselhaft ist. offenbar wird man nie zu alt, all diese gefühle zu haben, denn es fühlt sich eben genauso an wie früher an, völlig gleichgültig, dass ich 20 und mehr jahre älter geworden bin.

alles ist... irgendwie unbekannt. nicht alles ist anders, aber vieles. angefangen bei ganz einfachen sachen des alltags. die neue wohnung ist oft wie ein abenteuerspielplatz, alles mögliche entdecke ich, bei allem möglichen wundere ich mich. die einschaltbaren steckdosen, da habe ich einiges zeit gebraucht um das zu kapieren. finde ich an sich aber recht praktisch. das waschbecken mit zwei verschiedenen wasserhähnen finde ich allerdings eher skurril und störend. aus dem einen kommt eiskaltes wasser, aus dem anderen wird es nach 2 minuten so brühend heiss, dass man sich eindeutig so nicht waschen kann. wie genau es richtig geht, weiß ich nicht. im moment schwenke ich zwischen kneippen und verbrühen. das trennungssystem beim müll habe ich recht schnell kapiert, was mich jedoch fast zur verzweiflung getrieben hat, war der stromausfall letzte woche. gut, es gibt mal kurz keinen strom. frau kommt ja vom balkan, kennt so was. wird schon kommen. als es nach einer zeit jedoch nicht kam, wurde ich unruhig. der kühlschrank war gerade frisch gefüllt und so viel essen hätte nicht mal ich können. einige zeit und weitere panikmoment später habe ich festgestellt, dass wir den strom mit einem guthaben zahlen sollten. eine unauffällig karte im abstellkammer zeigte 0 an, aufgeladen bei der nächsten trafik (auch das muss man wissen!!!) war alles wieder im butter. puh! rätsel gott sei dank noch relativ schnell gelöst.

ein buch mit sieben siegeln sind mir allerdings immer noch die öffentlichen verkehrsmittel. ich weiß, dass buse fahren. ich weiß, dass sie sogar in der nähe fahren. aber wann und wohin genau, das verwirrt mich immer noch. so gehen kind und ich immer noch fleissig zu fuß, was per se nicht schlecht ist, nur wäre ausfahren von zeit zur zeit doch praktischer und schneller. dieses rätsel muss ich noch lösen.

das essen in einem neuen land ist immer ein abenteuer. ich liebe es ja über alles, in jedem neuen land auf den markt und in den nächsten supermarkt zu gehen. ersteres gibt es nur einmal im monat hier, somit waren wir bis jetzt nur in supermärkten.  ich bin bei weitem nicht das erste mal in UK, aber einiges fällt mir immer noch als neu auf. alles, aber auch alles ist verpackt in plastik. selten finde ich obst oder gemüse, die lose sind, außer avocado. nur im kleinen bioladen (der super süß ist und von zeit zur zeit durchaus besuchbar) kann man sachen ohne plastik kaufen. ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal so viel plastikmüll hatte und die tonne quellt über. mühsam vor allem, da wir eine eigene haben und die nicht so oft geleert wird. die mengen an fleischprodukten faszinieren mich immer wieder. ob die schotten mehr fleisch als die engländer essen, kann ich nicht sagen, aber die fleischabteilung scheint kein ende zu nehmen. bringt uns zwar wenig, denn ich esse es eh nicht und kind ist da sehr wählerisch, aber es ist omnipräsent. auf der anderen seite gibt es hier einige süßigkeiten, von denen ich mich ernähren könnte und ich mich täglich zusammen reissen muss, um nicht schachtelweise zeug nachhause zu schleppen.

was für mich als frisch diagnostizierte zöliakie patientin (dazu irgendwann später mehr) super positiv ist, dass glutunfreie sachen überall und recht problemlos zu bekommen sind. von aldi bis zum bioladen, alle haben irgendetwas. auch beim essen gehen war es bis jetzt kein thema. von fish and chips bis pizza, in jedem laden ist etwas da, problemlos und sicher. es macht mein leben wirklich recht leicht und ich fühle mich überhaupt nicht eingeschränkt.

"alles schmeckt anders" murmelt kind auch bei seinen lieblingsspeisen, da muss ich ihm recht geben. nicht schlechter, einfach anders. einiges an hier üblichen lebensmittel kann ich aufgrund von gluten eben nicht probieren und mein herr sohn ist nicht experimentierfreudig genug. aber die lebensmittel die wir kennen, schmecken oft wirklich anders. so probieren wir uns gerade durch, was gut und was wenigstens etwas nach "zu hause" schmeckt.

fürs kind ist die schule natürlich das neueste und ungewöhnlichste überhaupt. aus einer winzigen montessorischule kommend sitzt er nun mit mehr kindern in der klasse, als seine schule in österreich insgesamt hat. das erste mal hat er eine schulglocke gehört, das erste mal macht er einiges zusammen mit anderen, das erste mal ist er im regelsystem (auch wenn sich dieses sehr stark unterschiedet). faszinierenderweise kommt er damit durchaus zurecht. er beobachtet sehr kritisch, erzählt mir jeden tag details und unterschiede, einiges gefällt ihm, einiges finde er eigenartig. aber er schlägt sich tapfer. ich selber bin in dem punkt wohl verwirrter und verstehe vieles noch nicht. na ja, wie haben ja noch etwas zeit :)

mit solchen und vielen weiteren momentan verbringen wir unseren alltag zur zeit. und wenigstens ich mit diesem sehr bekannten, gemischten gefühl. aber ich weiß aus erfahrung, dass dieses gefühl bald verschwinden wird, wenn alles neue bekannt und alltäglich wird.


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