Montag, 10. Januar 2022

von möglichkeiten sich fit zu halten

noch bevor ich mich daran gewöhnt hatte, ferien zu haben, sind diese schon um. zwei wochen sind buchstäblich verpufft, heute morgen ging das chaos wieder los. wecker auf sechs uhr, das pubertier irgendwie aus dem haus schaffen, dann sich selbst treten und losziehen zur arbeit, unterricht den gesamten tag. morgeng wieder inkl. unterricht am abend. und dann wieder noch mal und so bis ich am freitag mittag fertig bin, mit der arbeit und der welt meistens. 

in den letzten jahren hat sich bei mir beruflich einiges verändert. während früher der unterricht einen teil meiner arbeit ausgemacht hat, den teil, den ich am meisten liebte, unterrichte ich nun eigentlich nur noch. immer wieder denke ich mir, man sollte gut überlegen, was man sich wünscht, denn vor jahren war genau das mein wunsch, der unterricht sollte meine hauptarbeit sein. tja, das universum hört mir gut zu, dieser wünsch wurde erfüllt. während ich eigentlich meine arbeit immer noch sehr leidenschaftlich ausführe, wundere ich mich oft über mich selbst, woher ich die energie noch finde so viel zu geben, wissen zu vermitteln, für die studis da zu sein, stundenlang zu reden, zuzuhören, zu trösten, zu verstehen, zu geben. gegen donnerstagabend bin ich meist schon völlig ausgequetscht, am freitag zu mittag wünsche ich mir zwei tage, wo ich mit niemandem reden muss. aber ab morgen funktioniert es dann doch wieder. 

die letzten zwei jahre waren allgemein enorm kräfteraubend. eigentlich ist allen klar warum, ich werde dem thema sicher noch einen text widmen. im moment sei nur erwähnt, dass ich irgendwann letztes jahr so weit war, mich in ein loch zu verkriechen und mich dort für monate zu verstecken. und da dies nicht ging, habe ich beschlossen, etwas für mich zu tun, mir selbst etwas gut zu tun und mich wieder fit zu machen. die frage war nur, wie?

wer mich kennt, weiß, dass ich nicht sportlich bin. in wahrheit mag ich sport überhaupt nicht, wintersport noch weniger als sport im sommer mit der ausnahme vom schwimmen, welches ich am liebsten im meer mache. schwimmbad ist auch ok, kostet mich aber enorm viel überwindung und überhaupt, wenn das wasser nicht salzig ist, ist der spaßfaktor sehr gering. alles andere an sportarten interessieren mich nicht, einige finde ich umwelttechnisch eine katastrophe, andere gefährlich, bei anderen muss man sie wohl gemacht haben, als man noch windel getragen hat, um sie zu mögen. somit drehte ich eine extra runde mit dem hund und suchte da nach keinen neuen möglichkeiten. 

in einer familie von im kopf beweglichen menschen aufgewachsen, fiel mir nichts anderen ein, als mich geistig fit zu halten. etwas neues tun, etwas neues lernen, reisen, meine hauptsächliche energie - und kraftquelle geht ja seit fast zwei jahren nicht, also etwas neues, aufregendes, tolles. somit habe ich - wie auch die bessere hälfte - mich wieder auf der universität eingeschrieben. wie zwei 18 jährige, aufgeregt und interessiert. interessiert... er sicherlich mehr als ich, denn nachdem ich alle curricula und alle studienrichtungen angeschaut habe, die die stadt bietet, habe ich verstanden, tja, mich interessieren nur fächer an der fakultät, die ich nie verlassen hatte, an der ich seit ich 18 bin nun mal bin. ob als studierende oder unterrichtende, das ist nun mal mein platz. diese tatsache hat mir einerseits sehr gut getan, denn ja, ich habe schon vor jahren das studiert, was ich wirklich liebe. auf der anderen seite hat es mich frustriert, denn ich wollte doch was neues lernen. einige semester geschichte haben mir gezeigt, nein, geschichte gut und recht, leidenschaft geht alledings anders. aber wie halte ich mich nun geistig fit, was mache ich neues außer lesen, was hier sowieso eher sport als hobby ist? das offensichtliche war so nah, sprachen.

ich spreche einen haufen sprachen. wenn wir genau sind, sieben fließend, auf muttersprachen bis c2 niveau. ich kann diese und es gefällt mir enorm, dass ich sie kann, dass ich so viele nationen verstehe, dass ich mich so international bewegen kann. zwei weitere habe ich in der schule gelernt, verdrängt und ich könnte zur not wohl dort überleben, aber eine liebe zu diesen sprachen ist nicht wirklich da... und dann ist dann noch...spanisch. zu spanisch habe ich eine magische verbindung, seit ich 17 war. vor vielen jahren, in meiner schule am ende des landes, in dem dorf, in dem ich die schönsten jugendjahre verbracht hatte, hat sich ein junges mädchen aus chile verirrt, das die sprache erlernen wollte. es konnte nichts, außer spanisch, es war das erste mal alleine so weit von zu hause entfernt. und ich konnte unmengen an sprachen, nur kein spanisch. also saßen wir da und sprachen mit dem wörterbuch. wort nachschlagen, zeigen, umgekehrt. bis sie so weit deutsch konnte, dass eine kommunikation möglich war. nach 10 monaten konnten wir miteinander kommunizieren, die freundschaft war aber schon vorher trotz sprachlosigkeit tief, fest und für immer. als sie wieder nach hause flog, nahm ein stück von mir mit und hinterließ die liebe zur sprache, zum land, zum kontinent, die die ihren waren. 

trotzdem ist mein spanisch bis heute... so gut wie nicht vorhanden. immer kam etwas dazwischen, immer war was anderes wichtiger, nie konnte ich die sprache besser lernen. einige anfängerkurse, dann wieder pause, dann wieder alles vergessen. reise nach spanien, einiges aktiviert sich, wieder alltag. so nun seit...hust...einige jahrzehnten. nie genug zeit, nie genug energie, mal braucht man das geld für etwas anderes, stehe ich heute da und bin immer noch spanischanfänger, während ich mir meiner freundin aus chile, die es immer noch in meinem leben gibt, nun auf englisch spreche. aber dieses jahr, heuer, jetzt, ändert sich das gerade. nach einem weiteren versuch in einem kurs etwas zu lernen, habe ich mir einzelstundend organisiert und die vergangenen ferien jeden tag eine privatstunde mit meinem wunderbaren spanischlehrer online verbracht. und ich fühle mich wie 8 und 88 zugleich.

mein gehirn raucht und überschlägt sich geradezu, während der nicht mehr so junge, aber sehr energetische herr mir täglich ordentlich anheizt. das passive wissen, angesammelt über jahrzehnte, schwirrt in meinem kopf, dieser fühlt sich meist wie ein bienenkorb an, in dem hunderte von insekten aus spanisch surren und mich irre machen. ich fühle mich völlig hilflos, während ich 80 % vom gespräch verstehe, aber gerade 10 % wiedergeben kann, weil mir die einfachsten wörter fehlen, wissentlich, dass ich sie mal kannte, aber ich sie im kopf nicht mehr finde. fragen nach diversen filmen, büchern, autoren, musik eröffnen erinnerungen an die zeit mit meiner freundin, als der gesamte spanische kulturkreis noch präsent war, romantitel fallen mir ein, längst vergessene liedertexte. die tatsache, dass wir auf seite 75 im buch angefangen haben, sollte mich stolz machen, irgendwie stress es mich aber auch, denn das tempo war schnell, die stunden intensiv, ich war meist atomlos wie nach einer sporteinheit. aber ich habe sie so genossen, wie schon seit jahren nichts anderes. oh ja, ich kann es noch. mein kopf funktioniert, auch wenn langsamer als vor 30 jahren, aber immer noch schneller als beim durchschnitt. ich weiß, wie spreche funktioniert, ich kenne grammatikstrukturen, ich weiß, wie was geht, oft sogar ohne alle vokabeln zu verstehen. ich bin gerne gut, die kleinen schritte und erfolge machen mich stolz. und nach den ferienwochen habe ich gerade, beinhart und ohne zu wissen, wie ich das in jeder hinsicht schaffen sollte, sei es energetisch, zeitlich, finanziell oder sonst wie, mir weitere stunden gebucht. nur ein-, zweimal die woche, aber es geht weiter. ende nicht in sicht, bis ich wohl meine lieblingsautorin im original lesen kann. oder endlich ein flugzeug nach chile nehmen darf und mit meiner freundin aus spanisch reden kann. oder sonst was.

somit kommt zu meinem stressigen alltag noch das, sprache lernen. vokabeln lernen, zehn mal das gleich wort nachschlagen, bis ich es endlich kann, mich über mich selbst dabei ärgert, unregelmäßige verben lernen, im stress hausübungen schreiben. klingt furchtbar? hätte ich auch vor jahren gefunden. jetzt ist es wie ein urlaub, eine erfrischung im alltag, eine brise frischre luft, die nach reisen riecht. sport? nein? gehirnsport? oh, ja. ein marathonlauf könnte mich nicht fiter halten, würde mir aber nicht mal ein bruchteil der freude bereiten. somit buche ich heuer als neujahrsvorsatz keine mitgliedschaft im fitnessstudio, die ich dann eh umsonst zahlen würde, sondern einen weiteren block an spanischstunden. und wer weiß, vielleicht kann ich in diesem sommer endlich doch einige wörter irgendwo anwenden, mit vorliebe irgendwo mit meeresblick. 

Sonntag, 2. Januar 2022

von alten traditionen und neuanfängen

mehr als zwei jahre nach dem letzten post, 2020 und 2021 überspringend (es sind einige beiträge entstanden, die ich aber nie gepostet habe), ein leises lebenszeichen von mir. piep. es gibt mich immer noch. irgendwie. in irgendeiner form, wie auch immer man das definiert. es wäre sinnlos zu versuchen zu beschreiben, was in den letzten zwei jahren passiert ist, ein post wird dieser sehr bewegten, skurrilen, komischen, tragischen und fast grotesken zeit nicht gerecht werden. ich denke, in den nächsten wochen und monaten werde ich immer wieder themen aufgreifen und über einiges sinnieren, es hat sich einiges angesammelt. kommt zeit, kommen die themen.

heute, am zweiten jänner, erinnere ich mich an einen alten aberglauben vom balkan, dass der tag symbolisch für das gesamte zukünftige jahr steht. was man heute macht, macht man das ganze jahr. was man machen will, sollte man heute machen. was man nicht machen möchte, sollte man tunlichst vermeiden. schon als kind fand ich diesen tag teilweise lustig, denn alle erwachsene um mich herum fingen plötzlich an einen eiertanz aufzuführen, nicht zu streiten, besonders nett und höflich zu sein, liegengebliebene arbeiten in die hand zu nehmen, alte hobbies auszuüben, mit einem wort, das perfekte jahr zu konstruieren. etwas älter machte ich es dann doch auch mit. lernen für fächer, die man nicht mochte, eine proseminararbeit, die schon längst hätte fertig werden sollen, wenigstens aufschlagen, später diverse große arbeiten wie diplom- oder doktorarbeit gerade heute schreiben. ich habe mich als kind über die erwachsenen amüsiert, später über mich selbst geschmunzelt. man könnte ja doch etwas verhauen, es könnte doch etwas daran sein und ich hätte dann die chance auf das perfekte jahr selbst zu nichte gemacht. 

in den letzten jahren habe ich diesen brauch ignoriert, der blog ist liegengeblieben, besondere aktivitäten wurden sowieso nicht gemacht, auch nicht am zweiten jänner. zwar habe ich immer wieder besonders an den blog gedacht und ihn nicht für immer aufgegeben, aber gerade am ende und am anfang des jahres nicht geschrieben. was sollte ich auch schreiben? warum sollte ich rückblicke von 12 monaten schreiben, die mir teilweise ausser stress und schmerz nichts gebracht haben, fragte sich pathetisch mein balkanherz? drama liegt mir ja bekanntlich im blut (diese habe ich erfolgreich auch an das kind weitergegeben, der sich selbst als dramaking bezeichnet), aber wenn auch wir einiges an drama reduzieren, tja, es war mir nicht nach schreiben. fast zwei jahre pandemie hinterlassen nun spuren, auf meiner seele gerade in den letzten monaten besonders tiefe. 

heute den blog wieder zu beleben sollte aber doch eine symbolische bedeutung haben. ja, ich will wieder schreiben, ich habe lust, wieder zu schreiben. wie regelmäßig mir das gelingen wird, kann ich nicht voraussagen, aber alleine die tatsache, dass ich es wieder tun will zeigt mir, dass es doch noch machen gibt, die aufs virtuelle papier wollen. 


ein rückblick? dieser könnte sich im satz "gott sei dank sind wir gesund und haben keine verluste einzubüßen" zusammenfassen, frau ist ja bescheiden geworden. diverse wunden werde ich im neuen jahr versuchen wieder verheilen zu lassen. die tatsache, dass das letzte jahr das erste in meinem leben war, an dem ich das meer nicht gesehen habe, sollte menschen, die mich kennen, die ausmaße der schweren situation zeigen. aber ich wollte ja keinen klassischen rückblick machen.

pläne, wünsche, träume, vorsätze? keine herkömmlichen heuer. bescheiden und leise wünsche ich mir, dass wir auch nächstes jahr gesund und ohne verluste schaffen. aber einen vorsatz habe ich, einen, den ich mir eigentlich schon letztes jahr im mai vorgenommen habe und ihn heuer beinhart durchziehen werde: ich höre wieder auf meinen instinkt, auf mein bauchgefühlt und mache, was für uns als familie mir richtig erscheint, was uns gut tut, was für uns positiv ist, ohne rücksicht auf verluste. klingt hart? eventuell, auch wenn ich es so hart nicht meine. ein post zum thema entsteht schon lange in meinem kopf. 

der tag heute wird somit alte traditionen ehren und ja, wir werden mal probieren, einiges zu machen, was wir hoffentlich dann doch das ganze jahr machen. freunde treffen, brettspiele spielen, in ruhe lesen, sich nicht gegenseitig auffressen, die pubertät in ruhe lassen, handlettering, lachen, spanisch lernen, was immer uns spaß macht. gleichzeitig ist es aber auch ein neuanfang. ein neues jahr, neue möglichkeiten, neuer text. und wenn dieser bedeutet, dass ich heuer mehr schreiben werden, auch gut, ich publizieren ihn heute noch. die alten traditionen des balkans sich hie und da vielleicht doch nicht nur leeres aberglaube.