Mittwoch, 24. November 2010

mehr als die hälfte meines lebens...

... bin ich bald, genauergesagt morgen in den frühen stunden, in diesem land. heute abend vor 22 jahren habe das land, in dem ich geboren wurde und das man heute nicht mehr auf der landeskarte findet, verlassen. und immer noch, nach so vielen jahren, bin ich mir nicht sicher, ob ich diese zwei tage betrauern oder feiern soll. die gleiche frage jedes jahr aufs neue.

1988 war die welt, die ich kannte, zwar noch bestehend, wurde mir aber an heutigem abend weggenommen. unfreiwillig stand ich am bahnhof mit 2 koffern, meiner grossen schwester, die mich bei unserer mutter "abliefern" sollte und beobachtete meinen vater und viele meiner freunde, die gekommen waren, um sich zu verabschieden, sie standen am bahnsteig. ein bild, für immer eingebrannt in meine seele. die augen meiner besten freundin aus der grundschule (die bald auch selber ausgewandert wird und ich die jahrelang nicht sehen werde), weitere freunden und im hintergrund, wie immer ruhig, mein vater. seine teifblauen augen, die versucht haben möglichst meine zu meiden. er wollte es mir leichter machen, es war vergeblich. die situation sollte für die nächsten 10 jahre bis zu seinem tod unser leitmotiv sein. wie oft sah er mich noch wegfahren. 10 jahre später starb er auch bei einer weggehsituation von mir. der bahnhof dieser selben stadt ist bis heute für mich mit verlust und tot markiert.

am nächsten morgen, aufgewacht in einem neuen land, war mein erstes bild aus dem fenster schnee auf einem berg. während der zug stand, beobachtet ich kleine kinder mit riesengrossen schultaschen (das war kein neues bild), wie sie durch knietiefen schnee stapften auf dem weg zur schule. dörfer, kleinere und etwas größere, sollten nun mein leben prägen, das bis zu dem zeitpunkt so urban war, wie sonst was. eine neue, unbekannte welt mit einer sprache, die ich nie lernen wollte, nun mein alltag...

22 jahre später ist so vieles nun völlig normal und alltag geworden. ich spreche und schreibe täglich in der ach so fremden sprache (auch wenn ich sie bis heute nicht tippen kann, aber das kann ich in keiner sprache gut ;)), mein kind plappert den ganzen tag in ihr. durch viele höhen und tiefen habe ich mich an einiges gewöhnt, einiges habe ich lieben gelern, einiges nervt mich täglich mehr. aber ich habe mich daran gewöhnt, mich arrangiert, mich integriert, mich mit programm und in voller absicht nicht assimiliert. und mein herz hängt an vielem.

an zauberplätzen, die ich über alles liebe, so auch das kleine dorf, in dem ich mein gymnasium absolviert habe. der berg, den ich aus meinem zimmer damals gesehen habe ist wohl einer der wenigen auf der welt, den ich ehrlich liebe. der blick auf den see, den sich 3 länder teilen und der hin und da tatsächlich wie ein meer ausschaut. die goldene stadt unter der bergkette, die einen mit ihrem föhn fast unbringt, aber dennoch so viel heimatmomente hat. der ausblick aus meinem institut, an dem ich erwachsen geworden bin, mit dem blick über die kette und den fluss, für immer tief in mir drinnen verankert. meine trauerweide, an dem selben fluss, unter der so machen lektion gelernt , aber eigentlich viel mehr bücher gelesen wurden. die stadt in dem ich meinen ersten job bekommen habe, mein lieblingscafe am kanal, der seeblick, ach, so vieles noch. und last but not least, die wunderbaren menschen, die nun in meinem leben sind oder waren und die ich sonst wohl nie kennen gelernt hätte, so viele, dass sie hier kaum alle aufzuzählen sind. meine grosse nichte, mein erstes baby, geboren genau heute vor 18 jahren hat diesen tag ebenfalls aufgewertet. mein kind, welches wohl ein völlig anderes sonst wäre, für mich sicherlich genauso wundersam, aber doch ein anderes. und so viele andere...

so gesehen, kann ich doch auf 22 gute jahre zurückblicken. einen grösseren schaden habe ich davon nicht getragen und wenn, habe ich mich damit intensiv auseinander gesetzt. das gefühlt von zeit zur zeit heimatlos zu sein, nehme ich somit gerne in kauf, man kann auch sagen, ich bin dadurch noch kosmopolitischer geworden. ich bin anders, ja. aber das bin ich gerne und war es auch vorher schon. ich bin kritisch und auch das gerne und viel und wohl auch in jedem land, egal, wohin es uns noch verschlägt. aber jetzt sind wir hier und das - an den meisten tagen - auch gut so.

2 Kommentare:

  1. aus welchel Land bis Du denn gekommen?

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  2. welches balkanland gibt es denn seit den 90ern nicht mehr als solches auf der landkarte? ;)

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