Dienstag, 29. November 2022

von der adventzeit

 wie jedes jahr kommt auch heuer der erste advent überraschend. plötzlich, gerade noch im urlaub gewesen, steht die adventzeit vor der tür. die stadt hat sich verwandelt in einen einzigen riesigen adventmarkt, die samstage werden zur hölle, man sollte plötzlich sich mit diversen wünschen auseinandersetzten, den eigenen wunschzettel überlegen, sich den kopf zerbrechen, was XY, der schon letztes jahr wohl mit dem geschenk nicht zufrieden war, heuer bekommen sollte, damit die sachen - immer von mir genau, gründlich und liebevoll ausgesucht - dann irgendwie in den tiefen der zimmer verstauben. gleichzeitig sollte man zu hause dekorieren, für das (mittlerweile) jugendliche kind weihnachtliche stimmung verbreiten und sich mit ihm freuen. ich bin erschöpft nach dem ersten absatz, dabei ist es nicht mal dezember. 

nachdem am sonntag liebe freunde aus dem ausland da waren, freunde, die wir nur einmal im jahr sehen - auch wenn ich sie am liebsten täglich sehen würde, aber tja, das ewige thema der entfernung - habe ich punkt eins, dekoration zum thema weihnachten, zu hause erledigt. abgehackt, punkt eins fertig. die geschenkeliste ist großteils fertig, einige punkte sich noch mit einem fragezeichen versehen, der briefträger macht überstunden und hasst mich seit einigen tagen leidenschaftlich. die frage, was ich mir wünsche, konnte ich bis jetzt erfolgreich vermeiden, denn auch heuer habe ich keine antwort darauf. langsam bin ich wohl alt genug, keine materiellen wünsche mehr zu haben. und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr sehe ich, dass ich nur noch zwei sachen will, reisen und zeit mit menschen, die ich liebe, verbringen. oder die zwei aktivitäten verbinden. 

neben der jährlichen überraschung, dass advent plötzlich da ist, weihanchten vor der tür und ich jetzt, von einem tag auf den anderen, in dieser besonderen, zauberhaften stimmung sein sollte (die ich ehrlich das letzte mal als kind gefühlt habe, wenn überhaupt), überschlagen sich genauso plötzlich termine zu diversen weihnachtsfeiern. institut eins, institut zwei, sogar alte institute, an denen ich schon ewig nicht mehr, schicken einladen. die arbeit vom mann, die schule vom kind, weihnachtsfeier von diversen vereinen, aktivitäten des juniors wollen uns sehen, mit uns trinken und auf die "stille" zeit anstoßen. alleine der blick auf meinen kalender ermüdet mich. gleichzeitig weckt die zeit auch in mir den wunsch, menschen zu sehen, die ich lange nicht gesehen habe, leute einzuladen, mit menschen zeit zu verbringen, die mir lieb sind. aber wann, das ist hier die frage? und wer ist nicht erschöpft von vielen pflichtterminen im advent? 

einige jahre habe ich ein adventexperiment gemacht, ich habe mich in der zeit völlig aus socialen medien, diversen online plattformen etc. herausgekommen. einige male wurde der computer zu hause, außer in ausnahmefällen punkt arbeit, nicht eingeschaltet. dies ist mir mal mehr mal weniger schwer gefallen, irgendwann hat aber dieses "fasten" an wichtigkeit verloren. oft klicke ich gar nicht auf diverse plattformen, einiges ist mir egal geworden. wozu dann darauf verzichten? 

wieder ein anderes mal habe ich aufgehört nachrichten zu schauen, irgendwas sonst zu schauen. seit einige politischen ereignissen in der welt, die heuer seit februar meinen alltag indirekt begleiten, ist das auch nichts neues und nichts. um kein magengeschwür zu bekommen, muss ich einiges eh stark reduzieren. 


bin ich nun der personifizierte grinch? nein, ich glaube nicht 100%, aber es gibt momente, wo ich mir wirklich wünsche, den dezember in einem land zu verbringen, wo weihnachten keine rolle spielt, wo das leben normal läuft und man den jährlichen maraton nicht hat. nicht mitmachen? das probiere ich sowieso. sich das aussuchen, das einem gefällt? auch das mache ich schon sehr lange. aber wie die sehnsucht ersticken, die in einem dennoch entsteht, einem verlangen, etwas besonderes zu machen nach dem ersten schock, dass die zeit schon da ist? im bett bleiben und die welt ignorieren? kein weg. sich sein eigenes gewicht in keksen anfressen? auch unpraktisch. den vollen kitsch mitspielen? kaum auszuhalten. ich spiele auch diese jahr, wie jedes jahr, etwas das spiel mit, lade heuer niemanden zur einer kleinen feier ein (wieviele schaffe ein mensch, ohne durchzudrehen?) - ev erst später im jahr - und lese bücher, die hier ewig herumliegen, nichts mit weihnachten zu tun haben. und hoffe, dass mich das ende dieser zeit genauso überrascht - nun aber positiv - wie der plötzliche anfang.