Dienstag, 5. Juli 2022

von einigen alten und neuen gedanken

der sommer und die hitze hat uns fest im griff diese tage, so sehr, dass ich kaum noch denken kann und rennend zwischen arbeit, zu hause, pubertier und doch wenigstens etwas freizeit, bin ich in erster linie ... atemlos. die letzte schulwoche hat angefangen, sie kann nicht schnell genug um sein, dann hat wenigstens das pubertier seine ruhe und kann die freie zeit genießen. frei ist allerdings relativ. der nicht mehr so kleine junge mann fährt in einigen tage das erste mal alleine ins ausland, die aufregung ist groß. ich glaube, bei mir fast größer als bei ihm. letzte woche war er auch das erste mal seit der pandemie mit der schule für eine woche weg, welch ein ereignis. und als mir mehrere bekannte zur "freien" woche gratuliert habe, muss ich wirklich schlucken und bin etwas ins grübeln gekommen. 

vor 12 jahren habe ich diesen beitrag hier geschrieben, der immer noch einer der meistgelesenen ist im blog, auch wenn ich schon lange leider nicht regelmäßig schreibe. chinesischer zirkus, die metapher mit den rotierenden tellern, gefällt mir bis heute ausgesprochen gut. mir gefällt es auch gut, jetzt, soviele jahre später, dass ich damals schon mein familienleben/arbeitsleben als teamarbeit gesehen habe, da war ich schon immer an der richtigen stelle. da ich am abend, bis heute, immer noch die teller vor

meinem innere auge sehen kann, würde ich heute allerdings, modern und fancy, das als "mental load" bezeichnen. ich weiß nicht, ob dieser ausdruck vor 12 jahren schon da war, ich kannte ihn auf jeden fall nicht. nun ist er etwas, was mir überall begegnet und welcher immer wieder mich noch mehr grübeln lässt.

ich bin eine alte faministin. da ich in einigen wochen 49 sein werde, kann mich langsam wirklich als "alt" in diesem punkt bezeichnen, denn seit ich denken kann, ist das thema gleichberechtigung, frauenrechte, webliche lebenskonzepte, was "macht eine frau und was nicht" ein thema in meiner familie. zuerst in meiner herkunfsfamilie, nun auch in der, die ich gegründet haben. einiges, was heute thematisiert wird, war im hause p schon in den 1970ern eine selbstverständlichkeit. reden wir davon, warum. weil ich künstlereltern hatte, die nie mainstrem waren, sich nie an gesellschaftliche normen orierntiert haben und denen sämtliche vorgegebenen konzepte fremd waren? möglich... weil ich eine mutter hatte und habe, die sich nie in vorgegebene rollen hineinpressen hat lassen und immer fand, dass sie als frau alles gleich machen darf, wie männer? ebenfalls sehr möglich. weil sie beide hochgebildet, liberal, weltoffen und vereinfacht gesagt, einfach cool waren? ja, vielleicht. war es aber ev. das land, in dem ich meine ersten lebensjahre verbracht habe, welches durch die nicht immer gute politische richtung die frauen emanzipiert hat, wie kein anderes westliches land das je gemacht hat und teilweise bis heute nicht getan hat?  auch eine antwort. die wahrheit liegt aber wohl in der kombination all dieser theorien. also wurde klein lena so erzogen, wie sie erzogen worden wäre, wenn sie auch ein junge gewesen wäre, liberal, offen, ohne vorgegeben normen und nie, aber auch nie hat sie den satz "du darfst/muss das (nicht) machen, weil du ein mädchen bist" gehört. ja, meine eltern waren cool, ich bin ihnen bis heute sehr dankbar. 

mit 15 wurde ich in dieses land, in eine für mich fast parallelwelt, gebracht. und ab da wurde ich glühende verfechterin meiner menschenrechte, meiner frauenrechte, meiner gleichberechtigung. mein recht unangenehmes zu hinterfragen hat so mache diskussion entfacht, so mache person war danach beleidigt, so macher hat sich auf den schlips getreten gefühl. mir war das immer egal, in meinem jugendlichen enthusiasmus fand ich es wichtig, einiges anzusprechen, ohne rücksicht auf verluste. ich war laut, direkt, habe gegen sämliche vorgegebenen/erwarteten bilder von weiblichkeit rebelliert. meine erste, 15 jährige beziehung, war alles andere als traditionell, schon gar nicht kleinbürgerlich, für mich das absolut verhasste wort. ehe? nein, danke. kinder? na ja, wären wohl willkommen gewesen ab einem gewissen alter, aber nur unter bestimmten bedingungen. ich als hausfrau, mutter, eherfrau? eine schreckliche vorstellung alles in einem. war ich immer sympatisch? das wage ich zu bezweifeln...aber ich wusste, was ich wollte, das kann man wirklich sagen. 

wenn ich heute mein leben anschaue, weiß ich in einigen punkten nicht, wie ich mir selbst das erklären sollte, denn es sind... sagen wir es mal... hoppalas passiert. oft habe ich mich in den letzten jahren dabei erwischt, von meinem lebenskonzept als "kleinbürgerlich" zu denken und mich zu fragen, ob es wirklich so kommen musste. bei einigen punkten bin ich immer noch, nach 17 jahren ehe, überrascht und möchte mich umdrehen um zu schauen, wer diese frau ist, von der man in diesem kontext spricht. die tatsäche, dass ich in eine wirklich kleinbürgerliche schwiegerfamilie geheiratet habe, lässt mich auch nach vielen jahren tief luft holen, die junge lena wäre wohl schon 100 mal explodiert. frau hat diverse kompromisse gefunden, ok. im großen und ganzen wurschteln wir uns durch. die tatsache, dass ich einen zukünftigen mann erziehe, hat auch einige punkten in mir... nicht verändert, aber nun aus einer anderen perspektive sehen lassen. ich hoffe innständig, dass ich da einiges richtig gemacht habe. 

wenn ich allerdings die lebenskonzepte in meiner umgebung beobachte, werde ich aber immer wieder innerlich zu der 15 jährigen aktivistin. wir sind nun ende 40, fast 50. viele haben schon erwachsene kinder, teilweise enkelkinder, zahlreiche ehe sind in die brüche gegangen. altersarmut wird plötzlich ein thema bei einigen frauen. alleinerziehende mütter, die um grundlegende sachen kämpfen müssen. frauen, die von den männern völlig abhängig waren, frauen, die sich jahrelang auf die letzte stelle gestellt haben. und dann, immer wieder virtuelle begegnungen mit jüngere müttergeneration, die mir den glauben an die menschheit nehmen. klassische rollen, egal wohin ich schaue. wie ist in den letzten jahrzehnen nichts passiert, bitte? 

nichts ist natürlich nicht passiert, aber nicht genug. immerhin wird über einigen themen immer mehr gesprochen, auch wenn wenig gehandelt wird. oder zu wenig. immerhin gehen einige statistiken in die richtige richtung, auch wenn die entwicklungen im schneckentempo passieren. immerhin darf ich einiges laut sagen und es wird wenigstens genickt, während ich vor 30 jahren noch groß angeschaut wurde. aber es ist alles viel zu wenig...

immerhin haben wir nun den ausdruck "mental load". das, was frauen schon immer geleistet haben, das, was schon immer da war, das, was auch ich gefühlt und nicht benennen konnte, hat nun einen namen, es werden bücher über das thema geschrieben, artikel verfasst, darüber gesprochen. auch wenn ich es wichtig finde, diesen ausdruck zu kennen, sich mit dem, was dahinter steckt, zu beschäftigen, sehe ich dennoch, dass das benennen des problems nicht die lösung ist. oft sehe ich nicht mal einen kleinen schritt in richtung lösung. woran liegt das nun? an der mentalität? an der tatsache, dass viele frauen sich keine gedanken machen wollen? dass man immer noch das konzept von "frauen gehören zu den kindern/zum haushalt" festhält? dass die meisten männer immer noch nicht dazu erzogen werden, die arbeit, die erziehung, den mental load zu teilen? dass wir frauen einige konzepten immer noch unterstützen? nicht rebellieren? nicht aufschreien? oder nicht gehört werden? 

mich hat das leben... in vielen sachen nach hinten geworfen. der wille zum kompromiss, der wünsch doch ein kind zu erziehen mit jemandem, der einen anderen lebensstill vorgelebt bekommen hat (sorry G. solltest du das lesen) und in dem einigen konstrukte tief sind, auch wenn er weiß, dass sie falsch sind. und wenn ich ehrlich bin, sind einige sprüche, die ich mit 15 so empörend gefunden habe, auch bei mir nicht abgeprallt, leider. das permanente schlechte gewissen, welches unsere gesellschaft der frau in dem moment, wo sie mutter wird, in die hände wie einen begrüßungsstrauß überreicht, beginne ich nun jetzt, nach 14 jahren, nur langsam zu zerrupfen. und ich hätte oft lust frauen, denen ich im leben, in natura oder virtuell, begegnen, mit diesem strauß auf den kopf zu schlagen, wie im zeichentrick film. so wurde mir heute virtuell erklärt, dass die hausarbeit wichtig ist und man sie erledigt muss, bevor alles andere passieren kann und dass diese für die person (weiblich wohlbemerkt) "me-time" bedeutet. also die hausarbeit. was antwortet man darauf? warum definieren frauen sich selbst so? würde ein mann das gleiche schreiben? ich wage es zu behaupten, nein. 

was wollte ich eigentlich in diesem langem text sagen, außer, dass ich den blog wieder mal beleben wollte? dass ich frustriert bin? ja, teilwiese schon. dass ich über die frauen, denen ich täglich egal auf welcher plattform begegne, teilweise schockiert bin? ja, das auch. dass ich mich selbst oft in momenten erwische, die ich vor 30 jahren abgelehnt hätte, mich selbst ausgelacht hätte? ja, leider das auch. dass man sich vor allem als frau endlich mit sich und seinem eigenen "mental-load" beschäftigen wollte? jep, auch das. und dass ich bei der definition "freie woche", nur weil das kind nicht da war, schlucken musste? ja, vor allem das. denn die tatsache, dass das pubertier nicht da war, hat meine woche nicht frei gemacht. alles andere war ja immer noch da. und ich glaube, er ist so ziemlich der einige 14 jährige, der nicht nur emotiv, sondern auch anders von seiner mutter vermisst wurde. er schafft es nämlich schon in seinen jungen jahren etwas zu tun, was so mach erwachsener mann nicht kann: mir ein teil des mental - loads abzunehmen, wenn er da ist, läuft einiges leichter. ich weiß nicht, ob er sich dessen bewusst ist, ob er weiß, welches lob das aus meinem mund ist. nun wird er von den 9 ferienwochen genau zwei da sein.... es wird ein langer, heißer, arbeitsreicher und mühsamer sommer.