Montag, 20. November 2023

von alten, neuen wegen

täglich grüßt das chaosmurmeltier. der blog liegt schon wieder brach und nichts passiert, obwohl so vieles passiert. täglich denke ich daran, hier endlich wieder zu schreiben und täglich passiert hier nichts.

das jahr neigt sich dem ende zu. gut so. die großen hoffnungen aus der besondere jahr mit drei am ende wurden schon bald eher enttäuscht und das jahr war in erster linien mühsam. ich hoffe auf ein noch tolles finale und warten schon sehnsüchtig auf das neue jahr.

eine sache, die das jahr, in welchem ich und viele aus meinem freundschafs- und familienkreis runde geburstage gefeiert haben (und noch feiern werden) ist meine kleine rückkehr in die vergangenheit, den ein kleiner, für viele sogar ungedeutender arbeitsauftrag, führt mich einmal die woche in die kleine stadt im süden, wo ich wohl die schönsten jahre in diesem land verbracht habe. 

als die bessere hälfte und ich uns kennengelernt haben, haben wir in zwei verschiedenen städten gelebt, er in der, in der wir jetzt leben und ich eben im süden, in der kleinen stadt am see, wohin mich mein erster traujob geführt hat. war diese stadt jemals auf meiner liste der wunsche? nein. war der job mein traum? oh, ja. also habe ich gepackt und bin aus dem westen in den süden, in eine mir völlig unbekannte stadt, zu der ich keine beziehung hatte. 

wer mich kennt weiß, dass umziehen für mich keine kunst ist. dank meiner nomadenmutter haben wir diese übungen schon sehr oft im leben gemacht, mal mehr, mal weniger erfolgreich am anfang, aber am ende gab es meist happy end. das zahlreiche enwurzeln hat mir kaum geschadet, meist bin ich schnell geheilt und habe wieder wurzeln geschlagen, zugegebenermassen nie zu tief, weil wer weiß, wann sie wieder los möchte. neue sprache? nur kurzfristig ein problem, ich habe sie oft blitzschnell gelernt? neue freunde? tja, was soll man machen, wenn man ein extrem geselliger typ ist, man lernt wieder leute kennen, man fängt wieder von vorne an. immer und immer wieder wurde ich zu neuen wohnorten gezwungen, auch gut, es ist ein teil meiner biographie.


in die kleine stadt am süden bin ich freiwillig gegangen, da ich meinen traujob bekommen habe. es war ein ungewöhnliches, aber ein zauberhaftes gefühl. es war mein freier will, ohne zwang von aussen, ohne ein MUSS, es war ein WILL. war ich die erste zeit einsam? oh, ja. war es am anfang leicht? nein, absolut nicht, aber ich war jung, offen für neues und hatte das privileg, meinen absoluten traumjob zu machen, wieviele leute können das von sich behaupte. 

verstehen wir uns nicht falsch, die kleine stadt ist, so wie viele andere städte in diesem land, echt provinz. auch wenn landshauptstadt, dennoch klein, übersichtlich und ja, auch provinziell. das hat mich jedoch nie gestört, weil meine kleine welt so wunderbar war. job, freundeskreis, wohnung, stadt, alles was so, wie ich es mir gewünscht habe, es war von mir gewählt, von mir gestaltet, von mir so geliebt. als die bessere hälfte in mein leben kam, schien es geradezu kitschig perfekt zu sein, alles passte, so konnte es bleiben. tja...

womit ich nicht gerechnet habe, ist die sturheit, die in mein leben kam, so fand ich mich, bevor ich überhaupt mich umdrehen konnte, in dem leben hier und meine kleine provinzielle stadt war plötzlich weg. wenn auch nicht weit, habe ich anfänglich bewußt gewählt, nicht hinzufahren, denn es tat zu sehr weh, zu sehr habe ich mich bemüht, hier anzukommen. meist tat dies nur weh und war ein fehler, das weiß ich schon länger, auch wenn ich es mir nicht zugeben wollte.

zeitsprung nach 2023, oktober. ein kleiner arbeitsauftrag führt mich nun einmal die woche für einen tag, ab märz dann für zwei tage, in meine kleine südliche stadt. während die ersten paar mal alles tun aus schmerz bestand, ist nun der tag mein kleiner urlaub jede woche, der tag, wo ich zu mir selbst reise, wie in einer kleinen zeitreise. alles ist gleich und dennoch so anders. aber es fühlt sich so bekannt an, es schaut gleich aus, es riecht bekannt, es umarmt mich wie ein alter freund. die sehnsucht ist groß, diese umarmung für mehr als nur für einen, zwei tage zu geniessen, realität ist es aber, dass dies unmöglich ist. jetzt auf jeden fall. für immer? ich hoffe nicht. wenn es nach mir ginge, packe ich morgen und ziehe um. nicht ein letztes mal, davon bin ich überzeugt, aber mal für eine zeit. und jeder weitere umzug wird nur noch freiwillig, nie wieder anders. darf man von zeit zur zeit egoistisch sein? absolut. dieser plan ist mal fix, wenn dieser realisierbar ist, werden wir sehen. 

bis dann geniesse ich meine kleine reise in die vergangenheit und mache sie zu wenigstens teilweise meinem alltag. ich atme jede woche den tag wie eine frische, kalte brise, die mich zart umarmt und schöpfe kraft für den rest der woche. 


Donnerstag, 21. September 2023

von momenten, wo die zeit stehen bleibt

mitte september. eigentlich fast ende. mein runder geburstag liegt schon hinter mir, auch der vom mann im mai. der sommer ist hoffentlich wirklich vorbei, ein wunderschöner urlaub liegt ist ebenfalls verangenheit. so vieles ist passiert, so wenig gibt es dennoch zu erzählen. so sehr habe ich im moment meine mitte verloren, dass ich täglich kämpfe, aus dem bett zu kommen und stelle wieder mit bedauern fest, dass dies mein zweiter beitrag heuer ist bzw wird, sollt dieser, im unterschied zu vielen anderen, wirklich publiziert werden. 

das besondere jahr mit 3 hinten, das jahr, welches für mich, meinen mann, meinen halben freundschaftskreis, aber auch für die halb verwandschaft, einen runden geburstag mit sich bringt, hätte ein zauberhaftes werden sollen. ein jahr, in dem wir feiern, uns selbst, aber auch alle anderen wunderbaren menschen in unserem leben. ein jahr der freude, der dankbarkeit, des festes. einiges ist uns gelungen. der 60er der lieblingscousine, der 90er der lieblingstante, der 50er der besseren hälfte. geschafft. es war toll und besonders. mein 50er, tja, nicht so sehr. denn die letzten wochen, in die auch mein geburstag gefallen ist, haben mir wieder gezeigt, wie sehr das leben de factoein "randzustand" ist. auf dem rand zwischen freude und leid, lachen und weinen, leben und tod. plötzlich bleibt die zeit stehen. luftleerer raum, in mir, um mich herum. 

normalerweise funktioniere ich in krisensituationen perfekt. mein gehirn, wie man mich immer aufzieht, das einer sternzeichen jungfrau person, ewig nachdenkend, setzt in den überlebensmodus ein und ich funktioniere. von aussen ruhig und konzentiert, löse ich ein problem nach dem anderen. und dann kommt die nacht, in der mein gehirn weiter rattert, arbeitet, mich nicht zu ruhe kommen lässt. schon mehrere wochen. schlaf ist hier mangelware, ich versuche alle fäden in der hand zu halten und es gelingt mir großteils die auch nicht fallen zu lassen. zwischen krisenherd, zu hause, arbeit, tieren, alles irgendwie halbwegs abzudecken. halbwegs. denn die wohnung schaut aus, als wären wilde tiere durchgerannt, die wäsche stappelt sich, wir essen, was gerade da ist und ich warte, bis die zeit endlich weiter geht, bis ich endlich wieder das gefühl haben werde, zu leben und nicht in der krise zu stehen. 

ein lichtblick, der mich besonders freut, ist das pubertier. anders als ich, die nur nach außen positiv bin und völlig anders als die bessere hälfte, der in der krise die "vogelstraußmethode" anwendet, ist der junge mann ruhig, stoisch und optimistisch. nicht gespielt, er strahlt das alles aus. das eine oder andere mal nimmt nun er mich - mein kind und nicht mein vater- in den arm und tröstet mich. groß und stark wie er ist, ist er wirklich wie ein ruhiger hafen, in dem ich versinke. was für ein glück für ihn, dass er krisen so meistert. ich wünsche es ihm, dass das immer so bleibt und ihn diese ruhe sein ganzes langsam leben begleitet.

langsam, sehr langsam, bewegt sich die zeit. während ich noch vor einigen tagen nur ein schwarzes loch vor mir gesehen habe, beginne ich langsam durchzuatmen. nicht völlig, man könnte ja doch noch überrascht sein, aber etwas luft ist da und es tut richtig gut. wie lange es noch dauernd wird, bis meine lunge völlig frei ist, werden wir sehen. aber es wird. irgendwann. 

wenn ich pathetisch enden will, würde ich sagen, geht jetzt hin und umarmt und knuddelt eure liebsten. aber pathetik liegt mir von natur aus nicht. viel mehr kommt mir der letzte satz meiner lieblingsbücher in den sinn, der letzte, kurze satz der harry potter reihe. wer ihn nicht kennt, schlagt ihn nach. genauso wird es sein. irgendwann. 


Sonntag, 30. April 2023

vom nest verlassen, wenigstens für eine kurze zeit

neues jahr, schon vier monat alt, noch ein tag und auch der april ist vorbei. frühling vor dem fenster, neues semester, relativ "neue" arbeitstelle mit neuen räumen. ein neue intensive weiterbildung, die mir fast jedes wochenende verschlingt. ein frischer "neuer" 15 jähriger zu hause. und ich, so gar nicht neu, sondern eher in alten mustern. viel zu viel arbeit, viel zu wenig zeit für aktivitäten, die spaß machen. viel zu wenig energie, weil das verdammte virus, weltberühmt, mich seit herbst zu einer hustenden, schniefenden, elenden existenz gemacht hat, die von montag bis freitag arbeitet und spätestens am samstag wortwörtlich keine luft bekommen. soweit so gut. der erste beitrag für dieses jahr, längst schon überfällt. 
am donnestag früh, ich war etwas spät dran, weil mir das frühe ausstehen besonders schwer fällt, hat mich kind noch zwischen tür und angel informiert bzw daran erinnernt, dass er doch einen neuen rasierer braucht, weil er den für die reise am samstag unbedingt haben muss. warte, was? wie? ich war wach, plötzlich und in mir vermischten sich tausende gefühle. 
ja, ehemaliger "zwerg" ist 15, das habe ich mitbekommen. ich weiß und sehe, dass er täglich größer wird, alle seine mitschülerinnen von oben anschaut, größer als seine lehrerinnen ist. ich weiß, dass seine turnschuhe wie boote auschauen und unsere katzen darin locker sich ein nachtquartier machen könnten. aber das wort "rasierer" hat mich irgendwie... überrumpelt. ok, gut. männer haben haare im gesicht, das ist von der natur so vorgesehen. die reise am samstag, lange geplant und doch so plötzlich gekommen, hat mir dann den rest gegeben.
"zwerg" ist am samstag für zwei wochen ins ausland geflogen, seine erste sprachreise mit der schule, seine erste große reise völlig ohne uns. natürlich in begleitung, sogar mit seiner lieblingslehrerin (auch mit meiner), aber alleine, weit, lang. bis donnerstag morgen habe ich das irgendwie verdrängt, aber da er nun mal packen musste, tja, musste mutter auch aus ihrem traum aufwachen. mein blick ging zum mann, der meinte, wir sind dann völlig alleine und grinste. ich nicht, ich bin wortlos zur arbeit gegangen. um mir den rest zu geben, meinte dann der mann, als er einige minuten später zur bimstation nachkam, nächstes jahr sind wir dann sechs monate alleine. der wunsch, ihn auf die schienen zu stossen, war dann doch nicht stärker als die vernuft. 
tja, einige stunden später habe ich zu rotieren begonnen. erstens, weil ich am freitag den ganzen tag eine weiterbildung hatte und nicht zum einkaufen gekommen bin. und zweites... hier sich bitte eine alte und ausgelutschte phrase vorstellen, aber ja, das ging mir jetzt doch zu schnell.
die letzten jahre sind an uns allen vorbeigerannt, buchstäblich. in meinem gefühl hat die pandemie mindestens ein jahr für uns alle verschluckt und ich für meinen teil weiß oft nicht, welches jahr wir haben bzw wundere mich, dass es schon 2023 ist. wo ist 2020 hin, 2021 war doch noch nicht? und in dieser zeit wurde aus zwerg ein riese. er ging auch in dieser zeit von dem schon beschriebenen launischen individuum zu einem... sagen wir es mal sanften riesen. er ist ruhiger, ausgeglichener, bodenständiger geworden, die launen haben ihn nur noch selten im griff. hie und da etwas hysterie, vor allem, wenn er für die schule was machen muss und es doch in letzter sekunde macht, aber sonst kann man überraschenderweise wieder mit ihm reden. in einem normalen ton. bei ihm und bei mir. vielmehr, ich genieße seine gesellschaft unverschämt. er ist der cooles gesprächspartner, der entspannteste reisepartner, schaut sich mit mir jeden film, jede oder, jedes stück im theater an, er war letztens sogar in einer balettaufführung, die war "nicht ganz meins" war, aber er hat sie das stück interessiert angeschaut. ich halte in solchen momenten inne und weiß, dass das ab morgen anders sein könnte, aber ich genieße den moment unverschämt. 
nun macht er seit gestern die stadt der liebe unsicher, ab dienstag fahren sie dann in eine andere stadt, wo sie auch zur schule gehen werden. noch bin ich cool, aber schauen wir, wie das in einigen tagen sein wird. die fotos, die uns die lehrerinnen schicken, schauen nach einem riesenspaß aus und ich freue mich für ihn...und denke dabei auch stark an mich und die zeit, als ich flügge geworden bin. 
ich war genau 15, als meine mutter uns in ein anderes land, sagen wir es nett, bracht, sagen wir es weniger nett, verschleppte und ab da began mein pendeln zwischen meinen eltern, zwischen zwei ländern. die erinnerungen daran ist noch lebendig, als wären nicht 35 jahre vergangen und ich weiß noch, wie groß, erwachsen, reif ich mich gefühlt habe, ewig lang allein mit dem zug fahren zu dürfen. später, als das eine land eine neue politische form bekommen hat, musste ich sogar auf dem weg umsteigen, auch das war für mich "super leicht, schaffe ich doch mit links". ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich wäre nicht jedes mal super aufgeregt worden, aber die selbständigkeit, die mir diese reisen gegeben haben, das selbstbewußtsein, das sie geformt haben, ist bis heute hier. nie habe ich nur einen gedanken daran verschwendet, wie sich meine eltern fühlen, ob sie angst um mich hatten (keine handys, keine kommunikation für 12 und mehr stunden, je nach weg), ich wollte auf den weg, ich wollte reisen, ich wollte meinen vater sehen, ich wollte "frei" sein, die welt war groß und ich war neugierig. an dieses gefühl denke ich in den letzten monaten oft, jahrzehnte später fühle ich, wie ein stück der jungen frau, die mit ihrem koffer alleine quer durch europa gereist ist, sich gerade regt. back to the roots so zu sagen.
ich habe nie aufgehört zu reisen, auch als familie waren wir schon quer durch die welt unterwegs, intensiv, viel, von anfang an. dennoch haben die letzten jahre, nicht nur wegen der pandemie, einiges an stillstand gebracht. natürlich hat corona uns alle eingebremst, wie gesagt, die zeit ist geradezu stehen geblieben. dennoch fand ich es in den letzten monaten, als würde der stillstand mehr sein als nur eine nachwehe der pandemie. irgendwas... hat vor allem mich eingebremst, irgendwas hält mich zurück, obwohl ich mich doch nur durch bewegung definiere. und diese muss wieder alltag werden.
bei aller sentimentalität über das viel zu schnelle wachsen des pubertiers des hauses, ich bin froh, dass er die bewegung hat, dass er unterwegs sein kann, dass er die welt kennenlernen darf. diese erfahrungen sind gold wert, unbezahlbar, wichtig. mit seinen freundinnen dies tun zu können, umso beeindruckender. nur habe ich das gefühl, zurück geblieben zu sein und da muss ich für mich ansetzten. denn dem kind wachsen flügel, was gut und natürlich ist, aber ich muss meine abstauben und neu ausbreiten. 
wenn er nächstes jahr ein semester in frankreich verbringt, nehme ich das als anlass auch für mich etwas spannendes, neues zu finden, was mich aus dem stillstand bringt. verlassen eltern auch das nest, wird diese metapher auch so verwendet? keine ahnung, aber ich tue es jetzt einfach, für uns beide. es darf, nein, es muss gerade so sein. in welche richtung wer fliegt, wird die zeit zeigen, das nest wird da sein, wenn wir wieder zurück wollen.