Montag, 4. November 2013

von über den haufen geworfenen prinzipien...

eindeutig hat uns der herbst erreicht... während die meiste zeit im oktober warm und sonnig war, habe ich schon fast vergessen, dass der herbst und dann noch schneller der winter vor der haustür stehen werden. irgendwie bin ich noch nicht bereit kälte ins leben zu lassen...sowohl im direkten wie auch im übertragenen sinne brauche ich zur zeit in erster linie sonne und wärme um einiges an veränderungen zu schlucken, verdauen und weiter gehen zu können, denn es ist gerade für mein herz etwas zu viel neues, unbekanntest und überhaupt... überfordert mich wohl das erste mal das chaos um mich herum ;) welch ironie :)

während ich die letzte zwei wochenenden frei hatte vom lehrgang (tat mal auch gut am samstag länger als bis 6 uhr zu schlafen), waren die wochen relativ dicht. der unterricht hat mit voller wucht angefangen, prüfungen, einiges an sachen nebenbei haben die zeit sehr, sehr knapp gemacht irgendwas anderes zu machen außer arbeiten und schlafen. umso sehrsüchtiger habe ich den november erwartet, der endlich mehr zeit bringen sollte (auch wenn ich gerade damit nicht umgehen kann, aber ok, wann war ich schon 100% logisch ;))...in diesem gesamten chaos an pflichten habe ich mir jedoch einen freien abend letzte woche erlaut, um eine lesung zu besuchen...

eine lesung ist in meinem beruf ja nichts aufregendes, sondern eher alltag. im literaturhaus bin ich stammgast. wenn nicht selber auf der bühne, bin ich im rahmen von organisationen meines instituts mindestens einmal im monat dort und mag das haus sehr gerne. oben im cafe sich etwas zum trinken holen und dann gemütlich nach unten einen platz mit getränk in der hand suchen, wunderbaren autoren zuhören ist die entspantere variante. ganz oft bin ich jedoch mit auf der bühne, moderiere, dolmetsche. ich liebe die bühne, es ist jedes mal spannend und wunderbar. einiges dazu habe ich ja vor monaten in diesem beitrag beschrieben
http://lenas-chaoswelt.blogspot.co.at/2013/03/von-signaturen-im-herzen.html
jedes mal auf neue freue ich mich auf diese abende (ende des monates ist es wieder so weit, ich darf einen der ganz großen zeitgenossen dolmetschen *freu*), auf die autoren, aufs publikum, die diskussionen, die lesung etc. etc...

nun war das letzte woche ganz anders. denn es kam eine lesung, die mit meinem beruf per se nichts zu tun hat, es war eine lateinamerikanische autorin. das alleine, noch nicht so spannend. aber es ist eine DER autorinnen aus dem gebiet, eine grande dame aus nicaragua, ein name, der das 20. jahrhundert geprägt hat und mein leben noch mehr seit fast 25 jahre: gioconda belli :) einigen wird der name mit sicherheit nichts sagen, wer jedoch gerne liest, sollte sie mal in den händen gehalten haben (ich habe ja schon länger lesetipps versprochen, hier nun der erste name). und wer sie gelesen hat, wird nach ihr süchtig. mehrere romane, unzählige gedichte und gedichtsbänder und ein wunderbares kinderbuch umfasst ihr werk. romane, die mich seit jahrzehnten bei jedem umzug begleiten, gedichte, die teilweise hocherotisch, teilweise sensibel, sehnsüchtig, aber auf jeden fall wunderbar und zauberhaft sind. texte, die mein leben mitbeeinflussen seit so vieler zeit. ihren ersten roman "die bewohnte frau", habe ich 100 mal gelesen und mindestens so oft schon verschenkt. wer den bekommt, muss wissen, dass er für mich etwas besonders ist. und somit auch als geschenke etwas unbeschreiblich wertvolles für mich.

und nun stand sie nach einigen schwierigkeiten hineinzukommen (denn das literaturhaus war voll, so hatte ich es noch nie erlebt!!!!) vor mir. 65 jahre jung, wunderschön, voller energie, humorvoll, charmant, klug... mit ihr gemeinsam eine band, die südamerikanische musik und lieder spielte. sie, mit ihrer kraftvollen stimme, die in einem wunderbaren spanisch vorgelesen hat. und dazwischen immer wieder die musik. es ist schwer zu beschrieben, was ich gefühlt habe. freude, glück sind wohl zu wenig. sehnsucht, den die musik und ihre literatur haben mich in eine zeit entführt, als ich von südamerika träumte (tue ich allerdings immer noch), spanisch studieren wollte (das ist mal noch nicht gelungen, aber wer weiß ;)), in eine zeit, in der mir die ganze welt offen war, ich voller teilweise revolutionär geglaubten ideen war (ganz in bellis still), voller romantischer träume und pläne war und überhaupt, die welt groß und die möglichkeiten unendlich erschienen. alle das kam wie ein film zu mit, ein film aus meinem eigenen früheren leben der gerade jetzt, in den ereignissen der letzten monate, so sehnsüchtig empfangen wurde und so vieles auflöste. irgendwann erwischte ich mich dabei, wie einige tränen herunter rollten und war froh in der masse unterzugehen. irgendwann wurde ich von der pause aus dem traum gerissen, in den sie mich mit musik und poesie versetzt haben.

und dann in der pause, da machte ich etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte. zum ersten mal im leben warf ich einige prinzipien über bord (siehe beitrag vom märz oben) und steckte die hand in die tasche. daraus zog ich zwei bücher heraus und stellt mich in die schlage, um mir und meinem sohn eine unterschrift zu holen.
5 minuten sprach ich sogar mit ihr. und als ich dann, wie ein teenager fan, mit meinen unterschrieben büchern von der bühne runterstieg, war mir glücklich, aber musste auch fast über mich selber lachen. denn was bedeuten denn schon diese kulispuren auf dem papier? diese werden irgendwann verblasen und vielleicht sogar verschwinden, doch die spuren im herzen, die dieser abend hinterlassen hat, von ihnen hoffe ich noch sehr lange zu profitieren.


1 Kommentar:

  1. Sehr nachvollziehbar, die Situation mit Gioconda Belli. Ich verehre sie seit Jahren.
    http://elisabetta2.twoday.net/stories/97007502/#97012630
    Liebe Grüße

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